Manche werden Grauzone für ein NDW-One-Hit-Wonder halten. Das kann eins so sehen, denn tatsächlich hatte die schweizer Band um die Brüder Martin und Stephan Eicher zu Beginn der 1980er Jahre einen großen Hit: „Eisbär“. Der wurde 1980 auf einem „Swiss Wave“-Sampler veröffentlicht, bekam daraufhin Radio-Airplay und wurde von der aufkommenden Neuen Deutschen Welle erfaßt. Allerdings ließen sich Grauzone darüberhinaus (für „Eisbär“ wurde ein Vertrag mit EMI geschlossen) nie von der kommerziellen Seite der NDW vereinnahmen, sie gaben kaum Konzerte, traten kaum im Fernsehen auf und gaben kaum Interviews. Die Band löste sich schließlich nach dem ersten selbstbetitelten Album 1982 auf und die Musiker widmeten sich anderen Projekten, die jedoch alle nicht die Bekanntheit von Grauzone erreichten, trotz deren kurzer Schaffensperiode.
Grauzone (das Album) enthält „Eisbär“ nicht, dafür aber zehn Lieder, die sich mehr so am Rande der NDW befunden haben. Einige haben es trotzdem auf NDW-Sampler geschafft, z. B. „Marmelade und Himbeereis“, das als NDW-Ballade beginnt, mit einem Text über einen Sommer in Italien, Augen so blau wie das Meer und dann mit der Zeile „Romantik am weißen Strand, unser Blut tropft in den Sand“ und einem wütenden „Wir sind alle prostituiert!“ im Gitarrengewitter endet. Ich könnte es als NDW-Antisong oder zumindest Persiflage bezeichnen, wobei ich natürlich nicht weiß, ob es so gemeint war. Ansonsten haben Grauzone meiner Meinung nach zeitlosen Post-Punk mit Minimal Wave abgeliefert. Wie einige andere Künstler zu der Zeit bauten sie Synthesizer und elektronische Klänge in ihre experimentelle und Punk-beeinflusste Musik ein.
Zum 40-jährigen Jubiläum der Veröffentlichung erschien im Jahre 2021 eine Box mit 3 LPs, die nicht nur das Album enthält, sondern auch die Lieder, die vorher auf Singles und EPs enthalten waren. Ja, auch „Eisbär“. Die dritte LP enthält eine Live-Aufnahme mit teils unveröffentlichen Songs.
Trotz des überschaubaren Vermächtnisses sind Grauzone für mich eine der besten Bands ihrer Zeit, die zudem heute noch hör-, spiel- und tanzbar sind, auch beim #GothDiscoInferno.